Zurück zum Anfang
Alter Bauernwebstuhl mit Rollenzug, Ullsfjord, Nordnorwegen. Foto: Anne-Grethe Sæther
Nach 21 Jahren als Weberin habe ich mich dazu entschlossen, ganz von vorne anzufangen, zurück zu Start, wie es im Leiterlispiel heisst. Nachdem ich jahrelang grosse Längen Meterware für Trachten in Vollzeit gewebt und schwere Stoffrollen an Trachtenschneiderinnnen und -schneider verschickte hatte und nach der extrem zeitraubenden und frustrierenden Restauration des Jacquardwebstuhls der letzten zwei Jahre, hatte ich die Freude am Weben verloren.
Diesen Sommer ist es 21 Jahre her, dass ich bei Schwiegermutter weben lernte. Wir hatten sie dazu überredet, den alten Webstuhl, den ihr Vater für ihre Mutter in den 1920ern gezimmert hatte, aufzustellen. Der Webstuhl hatte ein Rollengestell, keine Querlatten und war klein, er roch nach Museum. Wir sassen auf ihrer Veranda, tranken Kaffee aus kleinen, weissen Porzellantassen, passten auf die Kinder auf und sie zeigte mir, wie man Streifen für Flickenteppiche mit der Schere schneidet. Unser neun Monate altes Baby krabbelte zwischen unseren Beinen durch und spielte entzückt mit den farbigen Bällen aus geschnittenen Stoffriemen. Schwiegermutter war strikte: Nähte und Säume mussten mussten aufgetrennt und Taschen abgetrennt werden, so dass kein Stoff verloren ging. Sie erzählte von ihrer Kindheit und Jugend und von wo jedes einzelne Stück, das wir in Streifen zerschnitten, herkam und wer es gebraucht hatte: alte Vorhänge, Matratzenbezüge, die alten Anzüge und die Hemden des Onkels, Arbeitshemden, T-Shirts, Jeans und Röcke. Die Erinnerungen wurden in den Flickenteppichen gespeichert.
Stoffstreifen zum Weben
Ich erinnere mich gerne an diese Zeit und an den Anfang meines Webabenteuers. Jetzt will ich die Freude am Weben zurückerobern. Schwiegermutters Haltung zu Stoff als Ressouce war in einer Zeit entstanden, in welcher Textilien kostbar waren und kein Centimeter vergeudet werden durfte. Ihre Gedanken inspirieren mich noch immer. Die wunderbaren Gespräche, die ich mit Anne Schlüter, Takao Momiyama und Megan Samms während den Interviews für das Textilforum Magazins führen durfte, haben grossen Eindruck hinterlassen und ich habe mich dafür entschieden, wieder Flickenteppiche aus sonst unbrauchbaren Textilien zu weben.
Ich werde nie Flickenteppiche aus gekauften Baumwollbändern, neuen Stoffen oder Kleidern, die noch jemand brauchen könnte, weben. Für mich sind Flickenteppiche ein Recyclingprojekt: Kleider mit Löchern und grossen Flecken bekommen ein zweites Leben, auf dem Boden. Deshalb muss ich akzeptieren, dass es vielleicht nicht genug von einer Farbe für meinen geplanten Teppich hat oder nicht genau die Farben, die ich mir wünsche. Ausserdem muss ich mich damit abfinden, dass ich wahrscheinlich nie einen Flickenteppich verkaufen werden, weil das Streifenschneiden so arbeitsaufwändig ist, dass der fertige Teppich ein kleines Vermögen kosten würde. Ich kann aber unser Zuhause mit Flickenteppichen ausstatten oder sie an Freunde und Verwandte verschenken. Und hoffentlich taucht dabei die verlorene Kreativität und Webfreude wieder auf!
Flickenteppich in Rosengang
Rosengang, Detail
Kleine Teppiche für Bad, Jeans und Spitalleintücher
Quadrate in Rot, Rips, inspiriert von Lena Nessle “Väva efter gamla mönster”
Grüne Flickenquadrate
Rote Flickenquadrate
Stoffmix, dicker Köperteppich
Stoffmix