Everlasting
Everlasting – immerwährend, ein poetischer Name für einen schönen Stoff, eine Leinwandbindung mit Flottungen. Jetzt wollte ich versuchen, eine Kopie davon auf dem Handjacquardwebstuhl zu weben. Das Original befindet sich in Elverum, es ist eine rosa Jacke (oder ist es verblasstes rot?) mit Blumenmuster, stark tailliert. Sicher enganliegend, auch an einem schmalen Körper in 1750. Im Online Museum steht: Jacke, Futter aus grobem Leinwandstoff, handgenäht, Breite 43 cm, Höhe 48 cm, Länge 48,5 cm. Mer Information gibt es nicht, nichts über den letzten Eigentümer oder wo die Jacke aufgefunden wurde.
Aber zuerst musste ich testen, ob der Webstuhl jetzt funktionierte. Ich machte eine schmale Kette mit dem englischen Garn und schlug eine Köpervariation mit acht Lochkarten auf der Kartenschlagmaschine. Nachdem ich einige schlappe oder kreuzende Fäden berichtigthatte, fing ich an zu weben. Keine Fehler, es war kaum zu glauben!
Als nächstes zeichnete ich das Originalmuster auf ein Karopapier. Ich vergrösserte die Fotos, die ich im ‘Museum gemacht hatte und machte ein Kreuz für jeden sichtbaren Schussfaden. An einigen Stellen war es schwierig, Fäden zu zählen, weil die Fäden sehr dünn waren oder das Foto genau dort etwas unscharf war. Ich zeichnete mehrere Blumen ab, um ganz sicher zu sein. Am Ende ging aber das Zickzackmuster nicht auf und ich fing von vorne an. Es stellte sich heraus, dass der Rapport aus 96 Fäden bestand. Die Jacquardmaschine hat 400 Nadeln und ich fügte je zwei Fäden auf beiden Seiten der Blume hinzu, so dass der Rapport in 400 aufging. Danach zeichnete ich die Patrone für die Lochkartenschlagmaschine mit Filzstift auf 3 mm Papier.
Ich fing an, Lochkarten zu schlagen. Die ersten 10 Karten konnte ich unter grosser Konzentration, jedoch ohne Probleme schlagen. Dann kriegte die Maschine Macken und ich konnte die 74 Kochkarten nur unter sehr grossem Zeitaufwand und mit viel Geduld fertigmachen:
Zuerst eine, dann zwei und dann drei Tasten blieben einfach gedrückt
Die Stempel mussten geschliffen werden
Die Löcher für die Stempel mussten etwas vergrössert werden
Der Fortbewegungsmechanismus funktionierte nur noch teilweise und musste neu eingestellt werden
Die Tasten waren wieder träge
Der Fortbewegungsmechnaimsus funktionierte wieder nicht
Der Rahmen zum Zusammennähen der Lochkarten war in der feuchten Scheune schief geworden
74 Lochkarten waren mehr als acht, und wir bauten einen Rahmen, um die Lochkarten zu sortieren. Ich fing an zu weben und oh Wunder, kleine Blümchen erschienen im Stoff! Aber es hatte zu viele Webfehler.
Ich fand drei Lochkartenfehler, die korrigiert wurden. Aber die meisten Fehler waren immer noch da.
Ich nähte sicherheitshalber alle Karten nochmals zusammen
Ich kontrollierte, ob die Lietzen beiden Problemstellen wirklich richtig eingezogen waren
Und ich kontrollierte alle Gallierschnüre an den aktuellen Stellen
Nichts. Dann verstand ich, dass das Problem in der Maschine steckte. Einige Federn waren alt und ausgeleiert und bewegten die Nadeln nicht mehr richtig. Wir bekamen eine Handvoll Federn von einem unserer Nachbarn, eine passte, die anderen waren zu kurz, zu schmal, zu breit, zu steif,…. Federn kann man auch online kaufen, aber wie misst man die Sprungkraft einer Feder? Und sollte man gleich alle 408 austauschen? Zu guter Letzt streckten wir einfach die zu weichen Federn und für die nächsten 15 cm funktionierte alles perfekt, dann tauchten die Webfehler wieder auf.
Ich sah ein, dass ich einfach weben musste, wenn ich bevor Ende des Stipendiums noch irgendein Stücklein Stoff produzieren wollte. Ich fing an, Stoffmusterproben trotz der Webfehler zu weben und nahm folgendes Schussmaterial (Garninformationen gibt es in diesem Blogartikel):
Das Kettgarn 31,3/2 von Spectrum Yarns
Das Kettgarn zusammen mit Nähseide
Hillesvåg 28/2
Kampavillalanka 36/2 mit Nähseide
Kammgarn 40 von Minnotex
Kammgarn 40/2 von Minnotex mit Nähseide
Minnotex 40/2
Das Resultat: die Stoffmusterproben mit Nähseide hatten mehr Glanz, was keine Überraschung war. Die Lade ist sehr schwer und es war schwierig, leicht anzuschlagen, auf jeden Fall auf dieser schmalen Kette. Die Proben haben die gleiche Kettdichte wie das Original, aber ich fand, dass meine Müsterchen zu dicht und hart waren. Man könnte ein anderes Blatt versuchen, aber dann würden die Blümchen grösser als im Originalmotiv. Oder vielleicht sind die Kettfäden zu dick? Aber welche Alternative hätte man? Zu viele unbeantwortete Fragen und die Stipendienzeit ist vorbei.
Ob ich zufrieden bin mit dem Projekt? Ja und nein. Technische Probleme verbrauchten viel zu viel Zeit, auch wegen Corona. Ich hatte ein dreijähriges Stipendium angesucht und hatte ein Jahr erhalten, auch darum war es nicht möglich, meine Ziele zu erreichen. Aber der Webstuhl funktioniert fast ohne Fehler. Als nächstes muss ich das Federproblem erneut angehen und die Schnellschusslade restaurieren. Und vielleicht versuche ich auch, Everlasting in voller Breite zu weben.